Aus der Not eine Tugend machten wir bei unserem Auftritt beim Verbandsliga-Spitzenreiter Spraitbach: Leichte Personalprobleme, und schon gar nicht sollte der letzte mögliche Einsatz unseres Edelreservisten Wenninger „verbraten“ werden. So fuhren wir zu sechst und schenkten zwei Spraitbacher Großmeistern einen Punkt.
Derer gab es jedoch drei, und gleich alle drei wurden aufgeboten: Worobjow, Burmakin und Rytschagow, zwischen Elo 2510 und Elo 2580; in der ganzen Oberliga gibt es nur einen Spieler >2500! Mit Burmakin, dem Sieger des Staufer-Opens, der tags zuvor noch in Sevilla spielte, rechneten wir eher nicht, sehr wohl aber mit dem erstmaligen Einsatz von Kahrovic, der auch schon zuvor in der Oberliga für Schwäbisch Gmünd immer nur genau im Januar gespielt hatte und der die Woche zuvor das traditionelle Neujahrsblitz der Stuttgarter Schachfreunde überlegen vor Bräuning gewonnen hatte.
So bot der Spitzenreiter also gegen uns erstmals seine Top 4 vollständig auf. Wenigstens (für uns) fiel kurzfristig der Ex-Ditzinger Saur aus. Damit ging zumindest ein kleiner Teil unserer Rechnung auf, dass nämlich an Brett 8 ein gegnerischer 1600er zu „schlachten“ sei, und dass unsere Vorgabe so auf einen Punkt reduziert werden könnte.
Tatsächlich hatte Schuster in einem verkrachten Königsgambit nach nur 10 Zügen mit Schwarz Qualität und Bauer mehr, und das 0:1 zeichnete sich frühzeitig ab. Keilhack hatte es „an einem mittleren Brett der Verbandsliga“ mit Blitzschreck Kahrovic zu tun. Letzterer behandelte die Eröffnung mit Weiß sehr larifari, und die Stellung war schnell verrammelt. Trotzdem wollte Kahrovic weiterspielen, und die Vorbereitung zeigte auch einige letztlich erfolgreiche Seeschlangen von ihm aus Vollblockadestellungen. Trotzdem, im weiteren Verlauf hatte man den Eindruck, dass die anschließende Klötzchenschieberei mit äußerst „feingearteten“ Manövern, deren Sinn sich auch den Spielern selbst nicht erschloss, auch 1800ern gut zu Gesicht gestanden hätte.
Beyer behandelte die Eröffnung gegen GM Rytschagow, Elo 2558, zunächst kreativ; später stabilisierte sich jedoch die Stellung. Käpt‘n de Boer gönnte seinem Gegner, dem stärksten der Spraitbacher „Eingeborenen“, einen äußerst soliden Igel. Bei Klehr war ein klassischer Scheveninger zu sehen, zunächst ansprechend von beiden Seiten geführt, später von Schwarz mit einem falsch durchgeführten Vorstoß …d6-d5 jedoch ins strategische Abseits geführt. Bei Zimber ebenfalls ein vollblutiger Sizilianer.
Nach knapp drei Stunden gab es dann die ersten Ergebnisse: Schuster gewann wie absehbar, Keilhack überzeugte den Schiedsrichter – gegen den noch immer kampfeswilligen Gegner – von der geschehenen dreimaligen Stellungswiederholung. Und Zimber clinchte vorbildlich mit dominierendem Springer gegen Läufer dem Gegner zwei Bauern ab, worauf dieser das Endspiel verloren gab: Im zweiten Einsatz der zweite überzeugende Schwarzsieg; die meisten Stammspieler haben in fünf Spielen nicht mehr Punkte geholt.
Damit stand es 2½:2½, und bei drei offenen Partien neigten sich die besseren Chancen im Mannschaftskampf allmählich uns zu! Zudem trudelte zur mentalen Unterstützung unser Edelfan Giraud ein.
Beyer war gegen den GM inzwischen in einem undurchsichtigen Schwerfigurenendspiel gelandet. Meiner Ansicht nach war das nicht nötig, er hätte auch Beton anrühren können, doch das Spiel war zweifelsfrei im dynamischen Gleichgewicht, und Beyer weiterhin auf der Höhe. De Boers Gegner hatte mit …b6-b5 unmotivierten Aktionismus gezeigt, und obwohl de Boer den Mehrbauern zwischenzeitlich wieder hergeben musste, blieb er mit einem b-Freibauern im Endspiel am Drücker. Klehr warf wie schon gegen Lauffen in einem Sizilianer seine Schwerfiguren gegen den schwarzen König, doch während ich (als Sizilianisch-Anhänger mit Schwarz) damals eher an die schwarzen Konterchancen glaubte, war es diesmal zweifellos ein Angriff für die gerechte Sache; die schwarzen Figuren standen auch nicht da, wo sie für solche Fälle hingehörten. Dennoch stieg natürlich mit beidseits knapper werdender Bedenkzeit die Nervosität – für die Zuschauer, nicht für unseren Winnie.
Schließlich gewann Klehr die Dame für zwei Figuren, einige Züge später gab der Gegner auf – 3½:2½, fast zum Gewinn verdichteter Vorteil bei de Boer und nach wie vor eine lebensfähige Stellung bei Beyer. De Boer hatte dann kurz vor bzw. nach der Zeitkontrolle im Turmendspiel mehrere Gewinnwege; einer davon war die gewählte Abwicklung ins Bauernendspiel. Doch dieses erwies sich als zwar gewonnen, doch zugleich auch als trickreicher als gedacht. Einen Tipp sollte man hier noch mitgeben: Im Bauernendspiel kann man durchaus mal seine Bedenkzeit ausreizen! Denn im Unterschied zu anderen Lagen am Brett muss man sich hier nichts für später aufheben, denn es gibt – mit der seltenen Ausnahme von diffizilen Damenendspielen nach einem Bauernrennen – kein „später“ mehr. Am Schluss waren bei de Boer noch 25 Minuten auf der Uhr, aber der zum Remis führende Gegenspiel-Trick übersehen.
Beyers Partie mündete derweil nach 50 Zügen in ein Turmendspiel mit a-, b- und h-Bauern gegen a-, g- und h-Bauern. Das „muss“ remis sein, war aber tatsächlich wohl schwerer als (vielleicht!) gedacht. Womöglich gab es nur einen einzigen, zum Remis führenden Weg. Beyer stellte stattdessen seinen Turm unglücklich auf und musste nach knapp 80 Zügen die Niederlage quittieren.
Schade! Das 4:4 wäre zwar ein tolles Ergebnis, wenn, ja wenn unser Tabellenstand nicht gar so unglücklich wäre: Dreimal 4:4 gegen die ersten Drei der Tabelle, doch schwerer wiegt die Niederlage gegen die sonst punktlosen Haller. Bis zur Zeitkontrolle war es überaus überzeugend, die Siegpunkte auch allesamt verdient, doch auch so noch eine oberligareife 2250-Performance der sechs Akteure. Auf das rettende Ufer sind es aber weiterhin drei Punkte Abstand; Grunbach und Stuttgart II oder Ingersheim müssten am Ende noch distanziert werden. Das Homburger Ligaorakel sieht aber noch 14% Chancen für uns. Schade, dass am Ende 1-2 kompetitive Mannschaften absteigen werden müssen (selbst mit 9:9 Punkten ist man am Ende nicht unbedingt sicher, 8:10 reicht wahrscheinlich nicht), während mit Sontheim II ein wohl eher schwächerer Aufsteiger hinzukommen wird. Aber so sind nun mal die Regeln.
Als Aufstiegskandidat entpuppt sich hingegen Wolfbusch, die den IM Matthias Ruf, einstmals vom Fasanenhof stammend, zu dessen erster Partie seit zwanzig Jahren bewegen konnte. Er teilte bis dato die Phalanx der württembergischen Schach-Frühpensionäre: GM Mohr, IM Kraut, IM Franke, Kindl, Axel Schmitt usf. – einst die besten, und Karriereende mit Dreißig oder früher.